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Mitglieder

  1. Nina Fall
  2. Herrmann Schneider
  3. Heidemarie Schinkel
  4. Claudio Fabriggio
  5. Ronny Horror
  6. Ronja Horwarth
  7. Gottlieb Horwarth
  8. Edeltraut Horwarth
  9. Martha Westmann
  10. Dr. med. Wiebke Oldenburg
  11. Murat Ölgür
  12. Ahmed Ölgür

Falltext

Frau A hielt sich im April zu einer Geschäftsreise im Harz auf. Da ihr die Gegend gut gefiel, beschloss sie, dort mit ihrer Familie die Sommerferien zu verbringen. Daher sah sie sich nach einer ruhigen Ferienwohnung um. Zunächst favorisierte sie das Haus „Brockenritt“, befand es aber bald als zu laut, da es direkt neben einem großen Tanzlokal gelegen war. Dagegen schien ihr die Villa „Brockenblick“ günstiger zu liegen, weil sie direkt am Waldrand stand. Frau A beschloss, in dem Haus am Waldrand eine Ferienwohnung zu mieten und nahm einen Prospekt des Fremdenverkehrsvereins mit.

Zu Hause schrieb sie einen Brief an das Haus „Brockenritt“ und bestellte für den gesamten Monat August eine 3-Zimmer Ferienwohnung zum Preis von 1.300 € nach Prospekt. Nur wenig später antwortet ihr der Eigentümer E zustimmend.

Als Frau A am 1. August eintraf, bemerkte sie ihren Irrtum. Kurz entschlossen zog sie mit ihrer Familie in eine freie Wohnung der Villa „Brockenblick“ und erklärte E, sie habe nicht das Haus „Brockenritt“ gemeint, dieses sei ihr wegen ihrer kleinen Kinder zu laut.

E hätte die Ferienwohnung in seinem Haus auch anderweitig vermieten können. Ein Angebot von 1.500 € für den Monat August hatte er wegen des Vertrages mit Frau A ablehnen müssen.

E will daher von Frau A die vereinbarten Miete von 1.300 €. Weil er sich über die Dreistigkeit der Frau A ärgert, überlegt er, ob er nicht sogar 1.500 € verlangen kann.

Wie ist die Rechtslage?

In Betracht kommende Anspruchsgrundlagen

Arbeitsgruppe: (1) + (2)

Nina + Hermann schlagen folgende Anspruchsgrundlagen vor: Anspruch auf Zahlung der Miete aus Mietvertrag gemäß § 535 II BGB, und ggf. Anspruch auf Schadensersatz aus § 122 I BGB, falls eine Anfechtung in Betracht kommt.

Kontrollgruppe: (3) + (4)

Wir sehen das genauso wie unsere Kollegen. Wegen "Dreistigkeit" würden wir aber noch § 826 BGB ins Auge fassen. Heidemarie und Claudio

Coaching-Hinweise

Die sinnvoll in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen wurden gesehen. Als Praktikerin muss ich allerdings betonen, dass § 826 (sittenwidrige vorsätzliche Schädigung; erforderlich sind also Sittenwidrigkeit und Vorsatz) sehr selten angewendet wird, weil es da oft erhebliche Beweisschwierigkeiten gibt. Macht das Fass lieber nicht auf. Grüße, Klara Fall

Voraussetzungen der Anspruchsgrundlagen

Arbeitsgruppe: (5) + (6)

Für die Entstehung eines Anspruchs aus Mietvertrag nach § 535 II BGB ist es nur erforderlich, dass ein Mietvertrag geschlossen wurde. Ein Vertrag wird durch Antrag und Annahme geschlossen (siehe §§ 145 ff. BGB; man müsste hier prüfen, was der Antrag und was die Annahme ist, z.B. könnte das Prospekt eine reine invitatio ad offerendum sein). Wir ahnen aber schon, dass der Anspruch aufgrund § 118 Var. 1 BGB erloschen sein könnte.

Für den Schadensersatz nach § 122 BGB sind erforderlich:

Anfechtung (d.h. Anfechtungsgrund, Erklärung, Frist, was wir ja schon vorher beim Anspruch aus § 535 prüfen), Nichtkenntnis und Nichtkennenmüssen der Anfechtbarkeit (§ 122 II), sowie eine Schadenshöhe.

Ronny & Ronja

Kontrollgruppe: (7) + (8)

Sehen wir, Gottlieb und Edeltraut, im Prinzip ganz ähnlich. Es gibt aber keinen § 118 Var. 1 BGB. § 118 umfasst die Scherzerklärung, aber auf eine Scherzerklärung deutet im Sachverhalt nichts hin. Die Anfechtung wegen Irrtums ist in § 119 Var. 1 BGB geregelt. Habt ihr euch da vertippt?

Coaching-Hinweise

Seid ihr sicher, dass "Schadenshöhe" eine Voraussetzung einer Anspruchsgrundlage ist? Wo findet sich die Rechtsfolge des § 119 BGB? LG, K. Fall

Subsumtion des Sachverhalts

Arbeitsgruppe: (9) + (10)

A. Anspruch des E gegen A auf Zahlung der Miete (1.300 Euro) aus § 535 II BGB

I. Mietvertrag

1. Antrag: Prospekt (-)

2. Antrag: Brief der A an E (+)

3. Annahme des E (+)

4. Anspruch entstanden

II. Anspruch durch Anfechtung erloschen, § 142 BGB?

1. Anfechtungserklärung (+)

2. Anfechtungsgrund: § 119 I Var. 1 BGB (+)

3. Anfechtungsfrist: unverzüglich (+)

4. Zwischenergebnis: wirksame Anfechtung.

III. Ergebnis: Kein Anspruch des E gegen A auf Zahlung der Miete.

B. Anspruch des E gegen A auf Schadensersatz aus § 122 I BGB

I. Anfechtung der A (+)

II. Kein Kennen oder Kennenmüssen des Anfechtungsgrundes durch E, § 122 II BGB (+)

III. Zwischenergebnis: Anspruch auf SchE (+)

IV. Schadenshöhe: E hat einen Anspruch gegen A auf Zahlung des Vertrauensschadens (das sogenannte negative Interesse; Vermögenseinbuße, die E dadurch erlitten hat, dass er auf die Erklärung der A vertraut hat). E sind nicht nur 1.300 Euro, sondern ihm ist sogar ein 1.500 Euro schweres Geschäft durch die Lappen gegangen.

VI. Endergebnis: Damit hat E einen Anspruch gegen A auf Zahlung von 1.500 Euro Schadensersatz.

Martha & Wiebke

Kontrollgruppe: (11) + (12)

Murat und Ahmed: Das Ergebnis der Arbeitsgruppe ist nicht ganz richtig. Das negative Interesse ist zwar 1.500 Euro, der Schadensersatzanspruch nach § 122 BGB wird in der Höhe durch das positive Interesse begrenzt. Im Gesetz steht wörtlich "jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat". Bei ordnungsgemäßer Erfüllung hätte E nur 1.300 Euro erhalten.

Daher hat E gegen A doch nur einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.300 Euro.

Coaching-Hinweise

Sehr schön! Ganz wichtig: Die Subsumtion des Sachverhalts in der Gruppenphase sollte immer nur als Lösungsskizze erfolgen, unproblematische Teile kann man in wenigen Stichworten und mit (+) und (-) ausdrücken. Was problematisch ist, sollt ihr ausformulieren. Den gesamten Fall könnt ihr später in Einzelarbeit ausformulieren, aber ihr solltet als Subsumtionsgruppe nicht vorwegnehmen, was später alle machen. K. Fall

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