Beurteilungskompetenz sind wiederholbare, auf der Nutzung von Wissen beruhende, durch Regeln geleitete und daher nicht zufällige Handlungspotenziale einer Organisation, die auf die Evaluation von Praktiken oder entsprechenden Potenzialen anderer Organisationen gerichtet ist. Bei diesen Organisationen handelt es sich im Kontext einer Produktion in Netzwerken vor allem um Lieferanten, aber auch um Komplementoren, um Kunden und sogar um Konkurrenten. Insbesondere für die fokale, ein Netzwerk strategisch führende Unternehmung ist Beurteilungskompetenz zum Beispiel dann von Nöten, wenn es gilt, geeignete Netzwerkpartner auszuwählen. Sie bietet aber auch Ansatzpunkte für die weitergehende Evaluation (im Sinne einer der vier Funktionen des Netzwerkmanagements): der Qualität der Beziehungen zu den ausgewählten Partnern; der Leistungsbeiträge der Netzwerkunternehmungen, aber auch der mit der Leistungserstellung im Netzwerk verbundenen Koordinationskosten; der Angepasstheit der Regeln, Verfahren und Praktiken, die zur Netzwerkkoordination zum Einsatz kommen; und für vieles mehr.
 
Derartige Kompetenzen, zumal wenn sie die vielleicht letzte der Unternehmung verbleibende strategische Ressource konstituieren, werden von Organisationen in der Regel über einen längeren Zeitraum erworben. Der Erwerb und die Wahrung einer Beurteilungskompetenz setzen nicht notwendig die Fähigkeit voraus, bestimmte Güter oder Dienstleistungen tatsächlich auch noch selbst produzieren zu können. Gleichwohl gilt es mit der Produktion – etwa durch Netzwerkbeziehungen – in Kontakt zu bleiben. In Zeiten einer durch Outsourcing oder Quasi-Externalisierung betrieblicher Funktionen vorangetriebenen Produktion in Netzwerken ist die Wahrung der Beurteilungskompetenz tendenziell bedroht. Umso mehr gebührt ihr die uneingeschränkte Aufmerksamkeit des strategischen Managements. Die gilt insbesondere auch dann, wenn auf externe (‚geliehene’) Beurteilungskompetenz gesetzt wird, zumal dies in einen infiniten Regress führt: Wie kann die Beurteilungskompetenz beispielsweise eines Beratungsunternehmens ohne eigene Beurteilungskompetenz beurteilt werden?  

 

  • Keine Stichwörter