Da die Ratewahrscheinlichkeit nie vollständig eliminiert werden kann, hilft der Blick auf ein anderes Instrument zur Ratekorrektur: die Notengrenzen. Während häufig an der vorgeschriebenen Bestehensgrenze der Prüfungsordnung festgehalten wird, können diese und weitere Notengrenzen ggf. auch an die Prüfung angepasst werden (dies sollte mit dem Prüfungsausschuss abgeklärt werden bzw. mit der Prüfungsordnung abgesichert werden). Lukas et. al. (S. 4-9) beschreiben diesen Sachverhalt wie folgt: die beiden Aspekte Kompetenz und Performanz stellen die relevanten Variablen der Prüfungsleistung der Prüflinge dar. Während Prüfer:innen die Kompetenz messen wollen, können Sie nur die beobachtbare Performanz erfassen. Da die statistische Ratewahrscheinlichkeit von geschlossenen Aufgabenformaten bekannt ist, kann anhand dieser eine Anpassung der Notengrenzen vorgenommen werden. Beherrscht ein Prüfling also 50% der Inhalte und ist bekannt, dass eine Ratewahrscheinlichkeit von 20% vorliegt (entspricht einer richtigen Antwort und vier Distraktoren), so muss dieser 60% der Punkte erreichen, um den gewünschten Kompetenzwert zu demonstrieren. Die Autoren argumentieren jedoch, dass Prüflinge aufgrund von Stress und fehlender Konzentration auch Flüchtigkeitsfehler begehen, sodass das benötigte Ergebnis zum Bestehen auf 57,75% fällt (f = .05). Die Grenzen können für alle Kompetenzlevel und Notengrenzen festgelegt werden. Das adaptive Verschieben der Notengrenze je nach Aufgabentyp und Distraktorenanzahl hilft also dabei, auf die individuelle Prüfung abgestimmte Notengrenzen zu kreieren, welche trotz der Ratewahrscheinlichkeit bei geschlossenen Aufgaben valide Bewertungsmuster generieren.
Als grundsätzliche Formel für Single-Choice-Aufgaben führen Lukas et. al. (S. 6) an: Ergebnis = p * (1 - f - g * h) + g * h p = das Wissen des Prüflings f = Flüchtigkeitsfehler g = Ratewahrscheinlichkeit h = Rateneigung (bei fehlenden Maluspunkten ist von h = 1 auszugehen) |
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Da auch andere Aufgabentypen bzw. andere Parameter verwendet werden (bspw. Anzahl der Distraktoren und richtigen Antworten), müssen die Notengrenzen für jede Prüfung und ggf. für jeden Aufgabentyp individuell berechnet werden. Dafür kann bspw. der Online-Rechner von Lukas et. al. genutzt werden: Berechnung ratekorrigierter Notengrenzen (uni-halle.de) |