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Die canzone libera oder canzone libera leopardiana wurde im 19. Jh. von Giacomo Leopardi erfunden. Ihre Entstehungsgeschichte beginnt mit A Silvia (1828) und führte Leopardi zu einer nach und nach immer freier werdenden Form der Kanzone. Diese ist nicht dialogisch oder narrativ, sondern rein lyrisch und kann als eine freie Weiterentwicklung der von Petrarca geschaffenen klassischen Kanzonenform betrachtet werden, welche in der Vorromantik und in der Romantik u. a. auch von Leopardi für patriotische Dichtungen eingesetzt wurde.

Die Entstehungsgeschichte der freien Kanzone lässt sich in zwei Schaffensphasen Leopardis einteilen: In der ersten Phase, zwischen 1818 und 1823, orientierte sich Leopardi noch an der traditionellen (z. B. All’Italia, Sopra il monumento di Dante, Ad Angelo Mai), wenn auch mit nicht unerheblichen Abweichungen und Veränderungen, die in der Folge schrittweise immer mehr zunahmen. Kennzeichnend für die Kanzonen aus dieser Zeit ist die strukturelle Organisation, die noch Strophen mit gleicher Anzahl und Anordnung von endecasillabi (Elfsilblern) und settenari (Siebensilblern) sowie ein festes Reimschema vorsieht. Anders als bei Petrarca lassen sich jedoch die Strophen normalerweise nicht unterteilen und das Reimschema kann auch zwischen geradzahligen und ungeradzahligen Strophen variieren. Der Ultimo canto di Saffo markiert die letzte Etappe dieser allmählichen Unterminierung der traditionellen Gedichtform: Hier ist nur noch die combinatio ( am Strophenende) zu finden, ansonsten sind die Verse durch keinerlei Reimbezüge miteinander verbunden.

In der zweiten Phase, die nach fünf Jahren des silenzio poetico („poetischen Schweigens“) einsetzte, ein Zeitraum, in dem Leopardi sich intensiv mit seinen Prosawerken auseinandersetzte, insbesondere mit den Operette morali, verfasste er wieder Gedichte, diesmal jedoch ohne auf ein klar erkennbares metrisches Muster zurückzugreifen. Die canzone libera, die er 1828 mit A Silvia erschuf, verzichtet auf alle für die traditionelle canzone üblichen Kriterien der intra- und interstrophischen Regelmäßigkeit. Das Gedicht ist zwar in Strophen unterteilt, aber die verschiedenen stanze (in der Leopardi-Forschung oftmals als lasse bezeichnet) sind unterschiedlich lang. Jede lassa besteht ausschließlich aus Elf- und Siebensilblern, aber die beiden Versmaße werden jeweils frei alterniert, ohne vorgegebene Reihenfolge; die lasse haben kein regelmäßiges und können viele Blankverse enthalten. 

In der Forschung wird noch diskutiert, welche Vorlagen diese Formen geprägt haben könnten. Einige sind der Meinung, Leopardis canzone libera sei stets das Ziel gewesen, bereits in seiner ersten Schaffensphase – andere wiederum weisen darauf hin, dass ähnliche metrische Experimente bereits im Cinquecento durchgeführt wurden. Fest steht jedenfalls, dass die „strenge“ canzone petrarchesca nach dem Petrarkismus, bereits gegen Ende des 15. Jhs., rasch an Bedeutung verlor und in der Folge transformiert, aufgelöst und schließlich durch neue, freiere Formen (z. B. canzoni a strofe libere bzw. canzoni a selva) ersetzt wurde. Bereits Lorenzo de’ Medici und Boiardo lassen Neuerungen erkennen, Annibal Caro und Alessandro Guidi führen den Prozess der Auflösung und Neuentwicklung durch die Demontage der Gliederung, der Symmetrie und des Schemas dann noch weiter. Leopardi schloss diese Progression schließlich ab.

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Anfangs beschränkte Leopardi seine Kanzonen noch auf frei angeordnete Sieben- und Elfsilbler, die vollendete canzone leopardiana aber ist formal so frei, dass eine genaue metrische Definition schwierig ist. Mit Guidis canzoni a selva hat sie kaum noch etwas gemeinsam.

Doch trotz ihrer relativen Freiheit weist die canzone libera strukturelle Feinheiten auf, welche vor allem auf die Anordnung der Verse und Reime und auf „Knotenpunkte“ im Gedicht zurückzuführen sind, so bspw. die wiederkehrenden Reime auf –ale, die in Canto notturno di un pastore errante dell’Asia (1831) die stanze abschließen (s. drittes Beispiel). Andere canzoni libere wiederum sind durch das Fehlen oder durch eine Knappheit von Reimen, durch eine komplexe rhythmische Verwobenheit oder durch vermehrte Verwendung von enjambements gekennzeichnet (z. B. A sé stesso 1835). Auch das Reimschema der Kanzonen variiert und kann nicht fest definiert werden. So findet sich etwa in All’Italia (1815) u. a. das Schema ABcdABCeFGeFHGIhlMiM (wobei im Gedicht zwei Reimschemata abwechselnd in den stanze dispari und den stanze pari verwandt werden), im simpler gehaltenen A un vincitore nel pallone (1821) das Schema AbC BAC DEFDFgG.

Erst 1828 entsteht mit A Silvia dann die erste „echte“ canzone libera leopardiana, die aus sechs ungleichen stanze besteht, die sich wiederum aus variabel wechselnden und frei gereimten Sieben- und Elfsilblern zusammensetzen (s. zweites Beispiel).

Erfahren Sie mehr darüber!

Im Wiki-Bereich finden Sie eine ausführliche Einzellektüre von Leopardis A Silvia.

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