Kurzbeschreibung

= Quellenaufbereitung und äußere Quellenkritik in der Prähistorischen Archäologie


Inhaltsverzeichnis

Wie die historischen Quellen im engeren Sinne, also die Schriftquellen, so müssen auch die urgeschichtlichen Quellen aufbereitet und auf ihren Erkenntniswert hin analysiert werden. Unter Aufbereitung der Quellen verstehe ich in diesem Zusammenhang all jene Prozeduren, denen sie nach ihrer Bergung unterworfen werden. Dazu zählen die Reinigung, eine eventuelle Konservierung und Ergänzung, die Beschriftung, das Zeichnen und Fotografieren sowie das Klassifizieren und Beschreiben der Funde und Befunde. Die Aufbereitung der archäologischen Quellen schließt mit ihrer wissenschaftlichen Veröffentlichung ab.

Von der Aufbereitung der Quellen ist die Untersuchung des Quellenwertes zu trennen. Sie wird in den historischen Disziplinen gemeinhin als Quellenkritik bezeichnet. Wenngleich Aufbereitung und Kritik der urgeschichtlichen Quellen zwei voneinander getrennte Verfahren sind, stehen sie doch in einer gewissen Beziehung zueinander. Es liegt beispielsweise auf der Hand, dass die Konservierung und Restaurierung unmittelbar, d.h. in einer mehr oder weniger handgreiflichen Art und Weise, auf die Quellen einwirken. Dadurch kann bisweilen sogar die konkrete äußere Erscheinungsform oder die innere materielle Struktur dieser Quelle verändert werden. Eine solche Veränderung wird dann erhebliche negative Konsequenzen haben, wenn sich Erkenntnisse, die aus dem ursprünglichen Zustand des entsprechenden archäologischen Objektes ableitbar gewesen wären, nach einer solchen Veränderung nicht mehr gewinnen lassen. So wirkt sich beispielsweise die Behandlung von Töpferware mit Konservierungsmitteln negativ auf die nachträgliche Anwendung chemischer Analyseverfahren aus. Aber schon die inadäquate zeichnerische oder fotografische Wiedergabe eines Objektes im Rahmen der Quellenaufbereitung genügt, um zu falschen Ergebnissen zu kommen.

Unter systematischen Gesichtspunkten lässt sich die archäologische Analyse des Quellenwertes in eine Äußere und eine Innere Quellenkritik unterteilen. Bei der Äußeren Kritik handelt es sich um die Kritik der Quellenüberlieferung, bei der Inneren Kritik hingegen um die Bewertung des Erkenntnispotentials einer Quelle, mithin um ihren inneren Wert. Diese Differenzierung ist auch in der Geschichtswissenschaft üblich. So unterscheidet Kirn eine Kritik des Textes oder Textkritik – sie entspricht der archäologischen Kritik der Quellenüberlieferung – und eine Kritik der Quellenaussagen. Wie in der Archäologie geht es bei Letzterer nicht mehr um äußere Faktoren, z.B. Echtheit, Art der Überlieferung und Vollständigkeit der Quelle, sondern um ihren Aussagewert. Es liegt in der Natur der Sache, dass zunächst die Äußere Kritik erfolgt. Nur wenn sie positiv ausfällt, setzt man sich mit dem Aussagewert der betreffenden Quelle, also der Inneren Kritik auseinander.

Eggers (1950a, 51) hat den Unterschied zwischen Äußerer und Innerer Kritik in der Archäologie einmal prägnant durch die Gegenüberstellung zweier Fragenkomplexe charakterisiert. Es gebe Fragen, so stellte er fest, die sich auf die Zuverlässigkeit der Überlieferung einer Quelle und solche, die sich auf die Zuverlässigkeit der Quelle selbst bezögen. In diesem Sinne können wir die Innere Quellenkritik des Archäologen als Kritik des Quellenwertes bezeichnen.


Äußere Quellenkritik (Kritik der Quellenüberlieferung)

In der Archäologie betrifft die Kritik der Quellenüberlieferung all jene Angaben, die sich auf die Fundgeschichte und zwar in erster Linie auf den Fundort und die Fundumstände beziehen. Es ist zu prüfen, ob der Fundort, unter dem die entsprechenden Einzelstücke oder Objekte eines Ensembles geführt werden, über jeden Zweifel erhaben ist. Desgleichen muss geklärt werden, ob die mit diesen Objekten verknüpften Angaben vertrauenswürdig erscheinen. Dabei geht es beispielsweise um Angaben zur Art der Auffindung der Gegenstände, zu etwaigen Besonderheiten ihrer Anordnung oder Lagerung im Boden, zu beobachteten Verfärbungen, zu zugehörigem Leichenbrand oder unverbrannten menschlichen Knochen und dergleichen mehr. Es ist klar, dass eine solche kritische Prüfung vor allem bei Altfunden häufig nicht zu einem hinreichend befriedigenden Ergebnis führen wird. Gerade bei alten Museumsbeständen bleibt oft nur das Kriterium der inneren Stimmigkeit zwischen den Objekten und den ihnen zugeschriebenen Einzelheiten ihrer Auffindung, einschließlich des Fundortes bzw. der spezifischen Fundstelle. So kann man bei Altfunden aus Bronze in Museumssammlungen häufig bereits anhand der Patina entscheiden, ob es sich dabei tatsächlich, wie der Eintrag im Inventarbuch besagt, um einen beim Baggern geborgenen Flussfund handelt oder vielmehr um einen Fund von festem Terrain, für den aus welchem Grunde auch immer eine falsche Fundstelle angegeben worden ist.

Vor allem bei Objekten, die um die Jahrhundertwende aus lokalen oder regionalen Antiquitätenhandel erworben worden sind, entsprechen die mitgelieferten Angaben häufig nicht den Tatsachen. Das gilt aber durchaus auch für die Gegenwart, insbesondere für jene oft sehr reichhaltige Horte, die mit Hilfe elektronischer Metallsuchgeräte von unbefugten aufgespürt, dann unsachgemäß geborgen und schließlich unter häufig fingierten Angaben zu Fundort und Fundumständen im Kunst- und Antiquitätenhandel angeboten werden.

Ein besonderes instruktives Beispiel bietet der südöstlich von Würzburg am Westrand des Steigerwaldes bei Uffenheim gelegene Bullenheimer Berg, in dessen Bereich mindestens 17 urnenfelderzeitliche Hortfunde zutage gekommen sind. Nur ein einziger von ihnen wurde fachmännisch geborgen (Wamser 1995). Allein im Jahre 1990 sind der damaligen prähistorischen, heute archäologischen Staatssammlung in München 5 Horte vom Bullenheimer Berg angeboten worden, darunter einer, der aus 12 Gold- und mindestens 19 Bronzegegenständen bestand ( Gebhard 1990). Bei den vergoldeten Objekten handelt es sich um 2 längsovale, punzverzierte Goldbleche, 6 entsprechend verzierte Buckel und 4 Armspiralen. Die Bronzen dieses Hortes bestehen aus Lappenbeilen, einem Tüllenbeil, einem Tüllenmeißel, einem Beitel und 2 Sicheln sowie aus massiven Arm- und Schaukelfußringen. Nach voneinander unabhängigen Überlieferungssträngen sollen sich die Bronzen in größerer Tiefe über den Goldobjekten befunden haben. Ein fragmentiert geborgenes Gefäß hat nach den verfügbaren Angaben als Behälter gedient, jedoch ist unklar, ob es alle oder nur einen Teil der Gegenstände -zum Beispiel nur das Gold- barg. Einige dieser 5 Horte des Jahres 1990 sind offenbar bald nach ihrer unsachgemäßen Bergung zunächst in verschiedene Einzelkomplexe aufgelöst worden, bevor sie dann von der Staatssammlung erworben wurden.

Aus Quellen kritischer Sicht liegt mit dem Hortensemble vom Mainfränkischen Bullenheimer Berg geradezu ein Musterfall für den Stellenwert der äußeren Quellenkritik vor. Aus den diffusen Angaben, die für die meisten der dort gefundenen Horte vorliegen, muss mit detektivischem Spürsinn ein Maximum gesicherter oder zumindest plausibler Informationen herausgefiltert werden. Dabei geht es um die Klärung beziehungsweise Erhellung der jeweiligen Fundstellen und Fundumstände, die für die Gesamtdeutung dieser ungewöhnlichen Hortkonzentration von zentraler Bedeutung sind. So hat man die Geschlossenheit des Fundkomplexes mit den Goldobjekten aufgrund der heterogenen Zeitstellung der darin enthaltenen Gegenstände in Frage gestellt. Für Rupert Gephard hingegen spricht ein an sich unscheinbares Detail – Spuren von Bronzepatina auf der Schauseite eines der beiden Goldbleche – für die Geschlossenheit des Komplexes. Die Patinareste beweisen indes nur, dass das Blech mit Bronze in Kontakt gewesen sein muss, nicht aber, dass es sich dabei um eine der Bronzen dieses Fundensembles gehandelt hat. Auch die Feststellung vom Bullenheimer Berg sei schon ein vergleichbarer Hort (Depot 5) bekannt, der in der Typenzusammensetzung an den vorliegenden Fund erinnere und den beiden Goldblechen ähnelnde Goldblechfragmente mit Kreispunzenzier enthalten habe, erscheint im Gegensatz zur Meinung Gephards nur bedingt geeignet, die Zweifel an der Geschlossenheit des Ensembles zu entkräften. Angesichts der Tatsache, dass das Depot 5 selbst in seiner Zusammensetzung nicht über jeden Zweifel erhaben ist, vermag es bestenfalls ein recht schwaches Argument für die Geschlossenheit anderer fraglicher Komplexe zu liefern.

Inwieweit die Angaben zu den 16 unsachgemäß geborgenen Fundkomplexen, des hier exemplarisch angeführten Bullenheimer Berges der Wahrheit entsprechen oder zumindest entsprechen könnten, muss durch eingehende Prüfung jedes einzelnen Falles geklärt werden. Insbesondere bei den 5 der prähistorischen Staatssammlung aus dem Kunsthandel angebotenen Horten muss nicht nur die Fundzusammensetzung, sondern auch der Fundort mit Vorsicht betrachtet werden. In einem solchen Falle wird allerdings auch die eingehendste Überprüfung der zur Verfügung stehenden Informationen bestehende Zweifel kaum völlig ausräumen können.

Im Zusammenhang mit der äußeren Quellenkritik bzw. der Kritik des Quellenwertes bildet die inzwischen international sogenannte Himmelsscheibe von Nebra ein besonders gutes Beispiel. Aufgrund einer intensiven Erörterung in den Medien und einer großen Ausstellung hat sie in jüngster Zeit für beträchtliches Aufsehen gesorgt. Sie soll 1999 zusammen mit 2 Bronzeschwertern, 2 bronzenen Randleisten Beilen, einem bronzenen Knickrandmeißel und zahlreichen Fragmenten wohl zweier ebenfalls bronzener Armspiralen von zwei illegal operierenden, mit einem Metallsuchgerät ausgerüsteten Männern auf dem Mittelberg bei Nebra in Sachen-Anhalt gefunden worden sein. Sogleich veräußert gelangte das Ensemble erst 2002 nach einer vorgetäuschten Echtheitsprüfung in Basel unter Einschaltung der schweizerischen und deutschen Polizei an das Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle. Uns geht es hier nicht um die Interpretationen der verschiedenen Goldapplikationen auf der Himmelsscheibe und damit um ihre Astronomische Gesamtdeutung, sondern um die Geschlossenheit des Fundkomplexes. Wie fast immer bei gesetzeswidrig und unsachgemäß geborgenen archäologischen Fundes ist der unter mancherlei Schwierigkeiten ermittelte angebliche Fundort nicht über jeden Zweifel erhaben. Das gleiche trifft natürlich auch auf die Beifunde und somit auf die Zusammengehörigkeit des Ensembles zu. Harald Meller legte eine Indizienkette vor, die seines Erachtens den Mittelberg als tatsächlichen Fundort und überdies die Geschlossenheit aller Gegenstände beweist. Gegen diese Auffassung hat Peter schauer eine Reihe gewichtiger Argumente vorgetragen. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Bronzen nicht als geschlossener Fund betrachtet werden können und der angeblichen Fundort alles andere als gesichert ist. Obwohl sich die von ihm angeführten Gründe keineswegs einfach beiseiteschieben lassen, hat meines Wissens darauf bisher weder Meller noch irgendein anderer Archäologe reagiert. Das ist umso unverständlicher, als die Auffassung Mellers nur durch eine eingehende Entkräftung der Argumente Schauers zu überzeugen vermöchte. Solange dies nicht geschehen ist, wird der angeblich auf dem Mittelberg bei Nebra gefundene Bronzehort mit der Himmelsscheibe aufgrund seiner undurchsichtigen Überlieferungsgeschichte mit einem großen Fragezeichen versehen bleiben.

Für die Kritik der Quellenüberlieferung lässt sich grundsätzlich festhalten, dass es im Zuge einer eingehenden Prüfung des Fundberichtes in aller Regel klar werden wird ob es sich bei dem vorliegenden Gegenstand oder Fundkomplex um einen gesicherten Fund handelt oder nicht. Dabei ist auch eine Fälschung der Objekte selbst nicht von vornherein auszuschließen. Hat die äußere Kritik zu einem negativen Ergebnis geführt, obwohl die entsprechenden Gegenstände sich als echt erwiesen haben, liegt es nahe, anzunehmen, dass Fundort und oder Fundumstände auf falschen Angaben beruhen. Diese erste Ebene der Quellenkritik schließt mit einer eingehenden Bewertung aller für die Überlieferung der jeweiligen Quelle zur Verfügung stehenden Informationen ab.

 

Literatur: Manfred K. H. Eggert, Prähistorische Aechäologie, Konzepte und Methoden, 4. Auflage, UTB 2012

Lehrveranstaltung

Titel der Lehrveranstaltung Wissenschaftliche Schreibwerkstatt: Effektive Wege zu Seminar- und Bachelorarbeiten
Veranstaltungstyp Seminar
Fachbereich/Institut Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften
Studiengang ABV für den Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften
Lehrende/r Dr. Beate Richter
TN-Zahl 
Phasez. B. vor/nach/während der Vorlesungszeit
Dauerz. B. eine Präsenzsitzung, ein ganzes Semester, laufend
SWS/LP 5

Werkzeuge

Umsetzung

Erfahrungen der/des Lehrenden

  • Didaktischer Mehrwert
  • Probleme und entwickelte Lösungsstrategien

Weiterführende Informationen

Unterstützungsangebote von CeDiS

  • Beratung zum Einsatz digitaler Lösungen in der Lehre: Das Center für Digitale Systeme (CeDiS) verfügt über langjährige Erfahrungen beim Einsatz digitaler Medien und Systeme im Bereich des Lehrens, Lernens und Forschens und berät umfassend zu deren Einsatz im gesamten akademischen Umfeld und insbesondere an der Freien Universität Berlin.
  • Schulungen und Workshops: Für Lehrende an der Freien Universität Berlin (Professor/innen, Mitarbeiter/innen, Tutor/innen) sowie Lehrende anderer Hochschulen bietet CeDiS Schulungen und Workshops zum Thema Lehren und Lernen mit digitalen Medien an. Diese Kurse sollen die Teilnehmer/innen befähigen, selbst Online-Elemente in ihrer Lehre einzusetzen.
  • Das Präsidium der Freien Universität unterstützt E-Learning-Initiativen: Mit dem E-Learning-Förderprogramm werden finanzielle Mittel für Lehrende zur Verfügung gestellt, die ihre Lehrveranstaltungen nachhaltig durch Technologie- und Medienunterstützung bereichern und qualitativ verbessern. Es können alle in der Lehre tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bzw. Institutionen der Freien Universität ohne die Charité-Universitätsmedizin gefördert werden.

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