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    Um Lernziele konkretisieren und überprüfen zu können, müssen diese operationalisiert werden. Operationalisierte Lernziele sollen somit genau beschreiben, welche Tätigkeiten in welchem Kontext erwartet werden und zudem Bewertungsmaßstäbe formulieren, um das beobachtete Verhalten zu evaluieren (Mayer et al. 2009, S. 21). Lernzieltaxonomien bieten Strukturen und Ordnungslogiken an, anhand welcher Lernziele systematisch und mehrstufig operationalisiert werden können. Dies geht mit der Ansicht einher, dass der Kompetenzerwerb gestuft erfolgt und die Kompetenzbeherrschung demnach unterschiedlich stark ausgeprägt ist (Hilkenmeier Schaper, 2013, S. 15).

    Die dabei wohl bekannteste Taxonomie ist die kognitive Lernzieltaxonomie von Benjamin Bloom, welche 1956 entwickelt wurde und 2001 von Anderson und Krathwohl überarbeitet und erweitert wurde. Diese, in ihren Grundzügen über 60 Jahre alte, Lernzielgliederung stellt die Grundlage für fast alle gängigen Lernzieltaxonomien der Gegenwart dar und wird auch von der Hochschulrektorenkonferenz und der KMK genutzt bzw. empfohlen (Hilkenmeier Schaper, 2013, S. 55f. & KMK, S. 5).


      Anderson und Krathwohl splittern die Formulierung von Lernzielen in eine Wissens- und Prozessdimension auf und stellen diese anhand einer Tabelle dar. Lernziele beschreiben demnach immer einen Wissensbereich sowie eine Tätigkeit und sind somit immer aktiv formuliert.



        Erinnern Verstehen Anwenden Analysieren Bewerten Kreieren
        Faktenwissen





        Konzeptwissen





        Prozeduales Wissen





        Metakognitives Wissen





        Wissensdimension Beschreibung
        Faktenwissen konkrete Inhalte und Informationen
        Konzeptwissen Wissen über Strukturen, Theorien oder Prinzipien
        Prozeduales Wissen Beherrschen von Methoden, Techniken und Fähigkeiten
        Metakognitives Wissen Reflektion über das Lernen selbst, auch bezogen auf das eigene Lernen
        Prozessdimension Beschreibung
        Erinnern Information aus Langzeitgedächtnis aktivieren
        Verstehen Bedeutung aus Informationen gewinnen
        Anwenden Eine Prozedur in einer bestimmten Situation nutzen
        Analysieren Material in seine Bestandteile zerlegen und Interrelationen und übergeordnete Strukturen erkennen
        Bewerten Auf Basis von Standards urteilen
        Kreieren Elemente zu einer neuen Struktur formen; Elemente in eine kohärente und funktionelle Ordnung bringen

        Quelle: Anderson, 2014, S. 31.


          Lernziele können in eine Taxonomietabelle eingetragen und dadurch genau verortet werden. Sie können mithilfe der Tabelle konkret definieren, welche Wissenskategorie angesprochen werden soll und in welchem Grad der Ausprägung und in welchem Kompetenzgebiet das Wissen und die Fähigkeiten Ihrer Studierenden vorliegen soll. Zudem sind auch Abstufungen sowie Schwellenwerte wie Minimal- und Maximalstandards durch diese Aufschlüsselung klarer definierbar.

          Ein weiterer Vorteil bei der Nutzung einer Taxonomietabelle besteht darin, dass Sie Prüfungsaufgaben in ihren Anforderungen klar auf die geforderte Prozessdimension zuschneiden können, sodass bei einer gewünschten Wissensreproduktion als Lernziel auch Faktenwissen abgefragt wird bzw. eher die Form eines Essays gewählt wird, wenn die Produktion eigener Ideen oder Prozessbeschreibungen als Lernziel angestrebt wird.

          Zudem fördert eine Nutzung von Lernzieltaxonomien die Variabilität in der Lehre, vor allem aber in Prüfungen. Fragen Prüfungsaufgaben verschiedene Kompetenzbereiche mithilfe korrespondierender Aufgabenformate ab, können Studierende die geforderten Kompetenzfacetten besser darstellen, als es Prüfungen mit monotonen Aufgabenformaten ermöglichen.

          Wichtig: Bei der Wahl der taxonomischen Ebenen sollte berücksichtigt werden, dass die einzelnen Kategorien nicht primär aufsteigende Schwierigkeitslevel darstellen, sondern eher als mentale Komplexitätssteigerungen verstanden werden (Seddon, S. 313f.). Ein Lernziel, welches die Kategorie "Erinnern" sowie die Faktenebene abfragt, kann als schwer empfunden werden, sofern hier ein komplexer oder eher randständig behandelter Gegenstand abgefragt wird. Gleichzeitig kann eine Aufgabe im Bereich "Kreieren" als einfach empfunden werden, wenn hier ein vielfach eingeübter Arbeitsprozess als Grundlage dient. Sie sollten die taxonomischen Ebenen daher nicht primär wählen, um damit Seminare oder Prüfungen leichter oder schwerer zu gestalten, sondern um Lernziele genau zu umreißen und zu definieren, welche Kompetenzen und Inhalte in welchen Komplexitätsebenen relevant für die jeweilige Veranstaltung sind.

          Digitale Distanzprüfungen

          Auch für digitale Distanzprüfungen sind Lernzieltaxonomien relevant. "Searchability", also die Einfachheit, mit welcher Aufgabenlösungen nachgeschlagen werden können, stellt den größten Faktor beim Cheating in Distanzprüfungen dar. Setzen Sie Ihre Prüfungsaufgaben auf ein komplexeres taxonomisches Level, welches einen Transfer verlangt, um der Searchability Ihrer Aufgaben entgegenzuwirken (Steger et. al., 2020, S. 179).


            Die Lernzieltaxonomie Andersons & Krathwohls ist mit 24 Feldern bereits sehr komplex und umfassend. Um Ihnen den Einstieg in das Arbeiten mit Lernzieltaxonomien zu ermöglichen, empfehlen wir Ihnen eine vereinfachte Version dieser Taxonomie: die CELG-Taxonomie (Computer Supported Evaluation of Learning Goals)


            Reproduzieren Verstehen/Anwenden Evaluieren/Reflektieren Kreieren
            Faktenwissen



            Konzeptwissen



            Prozeduales Wissen



            Diese fasst sich teils überlappende Taxonomieebenen zusammen und erleichtert so die Kategorisierung von Lernzielen und Aufgaben.

            Sollten Sie zum ersten Mal mit Lernzieltaxonomien arbeiten, empfehlen wir Ihnen zudem, sich zuerst auf die Prozessdimensionen zu konzentrieren. Denn gerade diese definieren, welche Kompetenzen Ihre Studierenden anwenden sollen.

            Im Kontext von E-Examinations@Home empfehlen wir, nur wenige Prüfungsaufgaben im Bereich "Reproduzieren" anzulegen, da diese leicht nachgeschlagen werden können und somit anfällig für Cheating sind. Sie sollten eher Transferaufgaben anstreben, welche ab der taxonomischen Ebene "Verstehen/Anwenden" möglich sind.

            Ein Transfer entsteht immer dann, wenn vorhandenes Wissen auf neue Sachverhalte angewendet und für das Lösungen von Problemen genutzt wird (Huber und Wagner 2015, S. 13). Daraus leitet sich ab, dass Aufgaben, welche einen Transfer benötigen, schwierig bis kaum nachzuschlagen sind, da nicht allein das vorhandene Wissen abgefragt wird, sondern dieses als Werkzeug verstanden wird, und der Grad des Umgangs mit diesem Wissen geprüft wird. Hier muss jedoch nochmals betont werden, dass Ihre Aufgaben den Lernzielen Ihrer Veranstaltungen entsprechen sollten und diese daher in den Anforderungen auch widerspiegeln sollten. 

            Für die Erstellung von Aufgaben auf Basis der Taxonomieebenen eignen sich korrespondierende Operatoren. Diese teilen den Studierenden klar mit, welche Art von Leistung von ihnen erwartet wird. Eine Liste von Operatoren geordnet nach der CELG-Taxonomie finden Sie bspw. bei Mayer et. al., welche hier als Bild eingefügt wurde:

             

            Mayer et al. 2009, S. 59.


              Universitäre Prüfungen, allem voran Einführungsveranstaltungen, werden oftmals von Kohorten mehrerer hundert Studierender absolviert. Eine (teil-)automatisierte Auswertung der Leistungen in elektronischen Prüfungen durch geschlossene Aufgabenformate (selected-response) reduziert den durch steigende Studierendenzahlen immer größer werdenden Zeitaufwand bei der Korrektur. Doch wie sinnvoll sind selected-response-Aufgaben bei der Ausbildung höher-kognitiver Fähigkeiten?

              Entgegen der allgemeinen Behauptung, geschlossene Aufgabenformate (selected response) eignen sich nur zum Prüfen von Reproduktion und Faktenwissen, wird diesen Aufgabentypen durchaus die Fähigkeit zugeschrieben, auch höhertaxonomische Ebenen zu erreichen (Ewalds et. al. 2009, S. 21; Ingenkamp & Lissmann, 2008, S. 115; Mayer et al. 2009, S. 47f.; Rodriguez, 2016, S. 261). Nur die Ebene des Kreierens kann nachvollziehbarerweise nicht durch selected-response-Aufgaben angesteuert werden. Die taxonomische Einordnung hängt dabei stark von der Formulierung und Konstruktion der jeweiligen Aufgaben ab.

              Folgendes Beispiel demonstriert den Einfluss von Formulierung und Konstruktion auf die lerntaxonomische Ebene einer selected-response-Aufgabe:


                Aufgabenstamm:

                Wählen Sie die Definition von Kompetenz nach Weinert aus

                Antwortmöglichkeiten

                • die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können
                • Unter Kompetenz oder Fachkenntnis (auch Sachkompetenz) versteht man die Fähigkeit, berufstypische Aufgaben und Sachverhalte den theoretischen Anforderungen gemäß selbständig und eigenverantwortlich zu bewältigen.
                • Kompetenz umfasst alle Fähigkeiten, die ein Mensch in seinem Leben erwirbt und zur Verfügung hat. Dies schließt alle Wissensbestände und Denkmethoden, ein individuelles Vermögen an Kompetenz, Befähigung und Potenzial ein.

                Aufgabenstamm:

                Wenden Sie die Definition des Begriffs Lernen auf folgende Beispiele an. Welche zwei Verhaltensweisen sind eindeutig Folge von Lernen?

                Antwortmöglichkeiten

                • Ein Schüler fängt stark an zu schwitzen, weil gleich eine Prüfung beginnt.
                • Ein Schüler trägt einen warmen Pullover, weil im Wetterbericht niedrige Temperaturen angekündigt wurden.
                • Die Schüler blinzeln, als plötzlich das Licht angeht.
                • Eine Schülerin gähnt, weil sie letzte Nacht wenig geschlafen hat.
                • Ein Schüler stößt sich den Kopf, weil er inzwischen 1,90 Meter groß ist.

                Während im ersten Beispiel das alleinige Wiedererkennen der Formulierung genügt, reicht es im zweiten Beispiel nicht aus, die Definition des Begriffs "Lernen" rein auswendig zu wissen. Die Studierenden müssen den Inhalt soweit verstanden haben, dass Sie diesen in den dargelegten Beispielen erkennen. Es ist daher ein Transfer des theoretischen Inhalts auf die Beispiele nötig. Metaphorisch gesprochen, muss eine Lücke zwischen dem Inhalt der Aufgabenstellung und den Antwortmöglichkeiten geschaffen werden, welche nur durch den eigenen Denkprozess der Studierenden überbrückt werden kann.

                Selected-response-Aufgaben beschränken sich dabei nicht nur auf Single-Choice- oder Multiple-Choice-Aufgaben. Auch Auswahlaufgaben, (An-)Ordnungsaufgaben oder Lokalisierungsaufgaben ermöglichen eine automatisierte Auswertung sowie die Ansteuerung höher-taxonomischer Ebenen


                  Aufgabenstamm:

                  Ordnen Sie die folgenden Unterrichtsphasen aufsteigend anhand der prototypischen Stundenstruktur im Englischunterricht.

                  Schüler:innen...

                  A

                  • Lesen Dialog zwischen zwei Jugendlichen über Vor- und Nachteile von Stadt- und Landleben
                  • Legen Tabelle mit Vor- und Nachteilen an
                  • Teilen Informationen im Plenum

                  B

                  • Bilden von Vierergruppen
                  • Finden zusammen weitere Argumente für/gegen Leben auf Land/in Stadt
                  • Schreiben Dialog , in welchem diese Frage diskutiert wird
                  • Proben den Dialog à zwei Personen präsentieren

                  C

                  • Betrachten Bilder
                  • Diskutieren mit Partner:in
                  • Bringen Ideen im Plenum ein
                  • Nehmen sich gegenseitig dran

                  D

                  • Präsentieren die Ergebnisse
                  • Schreiben fehlende Argumente in ihr Heft

                  Antwortmöglichkeit: Auswahlmenü mit den jeweiligen Buchstaben (nur die richtige Reihenfolge bringt Punkte)


                  Lesen Sie die Fallbeispiele der drei Schüler:innen. Ordnen Sie die Schüler:innen auf Basis der Fallbeispiele innerhalb der Normalverteilung für Intelligenzmessung ein. Ziehen Sie den Namen der jeweiligen Person in den zutreffendsten Bereich der Grafik.

                  Wählen Sie im zweiten Schritt für jede:n Schüler:in aus, ob eine Lernstörung, eine Lernbehinderung, eine Hochbegabung oder keine Diagnose zutrifft.

                  Schüler:in 1:

                  • In der 10. Klasse
                  • Ergebnis zweier IQ-Tests: 133
                  • Tritt selbstbewusst auf
                  • Zeigt sich im Unterricht häufig gelangweilt

                  Schüler:in 2:

                  • in der 8. Klasse
                  • Ergebnis eines IQ-Tests: 65
                  • Kann sich schlecht konzentrieren und kaum motivieren
                  • Zeigt ein gestörtes Sozialverhalten
                  • Bereits eine Klassenstufe wiederholt

                  Schüler:in 3:

                  • in der 9. Klasse
                  • Ergebnis eines IQ-Tests: 72
                  • Hat große Probleme beim Schreiben und Lesen von Texten (2 SD unter der Leistung der Klassenstufe)
                  • Kann den Schulalltag gut strukturieren


                  Literatur:

                  Huber, Wolfgang; Wagner, Gundula (2015): Kompetenzorientierten Unterricht differenziert gestalten. Anregungen für Lehrerinnen und Lehrer der Sekundarstufe. Wien.

                  Steger, Diana; Schroeders, Ulrich; Gnambs, Timo (2020): A Meta-Analysis of Test Scores in Proctored and Unproctored Ability Assessments. In: European Journal of Psychological Assessment 36 (1), S. 174–184. DOI: 10.1027/1015-5759/a000494.

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