Der Begriff Silbe bezeichnet eine phonetische Sprecheinheit, die aus einem bzw. mehreren aufeinanderfolgenden Lauten besteht und beim mündlichen Ausdruck durch den Sprecher in einem Atemzug artikuliert werden kann. In der italienischen Metrik bildet die Silbe den kleinsten prosodischen Bestandteil, auf dem der Versbau beruht.
Grundregeln zur Silbentrennung
Obwohl die Einteilung eines Wortes in Silben (insbesondere für eine*n Muttersprachler*in) oftmals ,intuitiv‘ erfolgen kann, lassen sich je nach Sprache und Epoche beträchtliche Unterschiede im Hinblick auf die Konventionen der Silbentrennung feststellen. Für das Italienische gelten im Grunde genommen folgende Maßgaben:
1. Jede Silbe muss mindestens einen Vokal enthalten. Wenn der Vokal im Silbenauslaut steht, spricht man von sillaba aperta bzw. libera (z. B. cuo-re, ca-sa). Wenn auf den Vokal noch ein Konsonant folgt, spricht man von sillaba chiusa bzw. impedita (z.B. not-te, can-zo-ne).
2. Ein Vokal bzw. ein Diphthong am Anfang eines Wortes und vor einem einzelnen Konsonant bildet eine eigenständige Silbe (z. B. a-mo-re, uo-mo).
3. Ein einzelner Konsonant bzw. die Konsonantengruppen b, c, d, f, g, p, t, v + l / r sowie s + Konsonant bilden eine Silbe mit dem darauffolgenden Vokal oder Diphthong (z.B. ta-vo-lo, fuo-co, tre-no, sto-ria).
4. Konsonantengruppen, denen eine lediglich graphische Funktion zukommt (digrammi und trigrammi: gli-, gn-, sc-/sci-, ch-, gh-, ci-, gi-), lassen sich nicht trennen (fo-glia, se-gno, ghiac-cio, scien-za).
5. Andere Konsonantengruppen sowie Doppelkonsonanten (darunter -cq-) werden in zwei Silben eingeteilt (z.B. stan-chi, al-ta, bel-lo, tut-ti, ac-qua).
Vokalzusammenstöße
Etwas komplizierter gestaltet sich die Lage, wenn innerhalb eines Wortes zwei Vokale aufeinandertreffen: Mal werden die beiden Vokale einer einzigen, untrennbaren Silbe zugeordnet (Diphthong), mal werden sie in zwei angrenzende Silben eingeteilt (Hiat).
Gerade im Hinblick auf den Umgang mit Vokalzusammenstößen weicht aber der geläufige Usus der Dichtersprache von den Allgemeinregeln der italienischen Grammatik wesentlich ab. Für die Verbindung respektive Trennung von aufeinander treffenden Vokalen im Inneren des Wortes werden deswegen Spezialbegriffe verwendet: Nicht von Diphthong und Hiat, sondern von Synärese und Diärese sollte man bei der metrischen Analyse dichterischer Texte sprechen. In der gebundenen Sprache können außerdem auch bei der Wortfolge im Verszusammenhang metrisch bedingte Vokalphänomene eintreten, die zur Einhaltung des Versmaßes dienen.
