- Erstellt von Alessandra Origgi am 18.05.2016
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Historischer Überblick
Die Kanzone ist eine Gedichtform, die vom altprovenzalischen Minnelied (cansò) abstammt und in Italien als eine der wichtigsten lyrischen Formen gilt. Die ursprünglich in der sizilianischen Schule praktizierte Canzone hat Dante aufgegriffen und mit metrischen Regeln versehen. Er selbst hat erklärt, die Kanzone sei die hervorragendste der Gedichtformen: „Cantionum modum excellentissime esse putamus". In seinem Werk De vulgari eloquentia hat er die Regeln der Kanzone zusammengestellt: er gab den endecasillabi den Vorzug vor anderen Versmaßen für die canzone, nach Dante die erhabenste der Gedichtsformen, und führte die concatenatio (chiave, verso chiave) ein.
Die canzone des Duecento war in der Formgebung freier, es wurden beispielsweise verschiedene Metren angewandt, sirmas waren häufig aufgeteilt, die Versanzahl der piedi variierte (von zwei bis sechs Versen), es herrschte häufig eine Symmetrie zwischen piedi und volte (gleiche Versanzahl und identische Struktur), sowie eine Unregelmäßigkeit des congedo (welcher fehlen oder doppelt auftreten konnte), die Verwendung von endecasillabi war rar. Zudem war zu Beginn der Geschichte der italienischen Lyrik die concatenatio (Verbindung zwischen dem letzten Vers des zweiten piede und dem ersten Vers der sirma) eine Seltenheit. Dante war derjenige, welcher den soeben genannten Begriff prägte, sowie den Terminus combinatio (Verbindung des Paarreims der letzten zwei Verse einer stanza). Im Folgenden hat Petrarca diese Gedichtform nicht nur als Vorlage verwendet (wenn auch gelegentlich variiert), sondern er hat auch dazu beigetragen, dass diese metrischen Formen seither als mustergültig und traditionsprägend galten. Mit der Kanonisierung der Kanzone hat somit eine Wende in der Geschichte der lyrischen Gattung stattgefunden.
Aufbau
Die Kanzone besteht aus einer freien Anzahl an Strophen (stanze), meist sind es zwischen 5-10 stanze, es können aber auch mehr oder weniger sein und einer freien Anzahl an Versen (versi), gewöhnlich 13-18, wobei Dante 14 und Petrarca 13 Verse bevorzugt. Die stanze haben dieselbe Struktur, dh. dieselbe Anzahl an Versen, die bestimmten Versmaßen entsprechen und immer in derselben Anordnung bzw. Reihenfolge auftreten. Die stanza lässt sich in zwei Teile gliedern: in fronte (Aufgesang) und sirma (auch sirima, deutsch: Abgesang).
Die fronte lässt sich einteilen in piedi (Stollen). Gewöhnlich sind es 2, seltener 3 piedi. Diese können verschiedene Anzahl an Versen beinhalten, die häufigste Anzahl sind 3-4 Verse, es gibt jedoch auch piedi mit 2-6 Versen. Die Anzahl und Anordnung der Verse sind in den piedi gleich. Die fronte kann jedoch auch unaufgeteilt bleiben (fronte indivisa).
Die sirma kann ebenfalls sowohl unaufgeteilt bleiben (sirma indivisa) sowie zweigeteilt werden in volte. Genau wie bei den piedi sind auch die volte in ihrem Versmaß und der Struktur identisch und können aus 2-6 Versen bestehen. Piedi und volte müssen gleich gebaut sein, die Versart muss in gleicher Zahl und Reihenfolge auftreten.
Als Verbindung zwischen piedi und volte kann ein Vers dienen (chiave, verso chiave) von Dante auch concatenatio genannt. Dieser reimt sich auf den letzten Vers der fronte (den letzten Reim des zweiten /letzten piede) und hat die Funktion, fronte und sirma zu verbinden.
Ein weiterer durch Dante theoretisch formulierter Hinweis zur Reim- und Strophenstruktur der Kanzone, der im Folgenden ziemlich oft Gebrauch findet, ist die sogenannte combinatio, und zwar ein Paarreim (rima baciata) am Strophenschluss.
Abschließender Bestandteil der Kanzone nach Dante ist der häufig vorzufindende congedo oder commiato (deutsch: Geleit). Der congedo kann sowohl die ganze letzte stanza, aber auch nur die sirma oder nur der Schlussteil der sirma sein. Von der Struktur her verhält er sich meist wie die sirma, er kann aber auch eine eigene autonome Form aufweisen (congedo irrazionale).
Die von Petrarca für die Kanzone festgelegten Versmaße sind der endecasillabo (Elfsilber) und der settenario (7-Silber). Von Dante wurde der Elfsilbler bevorzugt, es finden sich jedoch auch Kanzonen die ein anderes Versmaß haben (z.B. Quinario, ottonario, decasillabo) oder zwei und mehr Versmaße enthalten (canzoni eterometriche). In der italienischen Tradition (z. B. bei Petrarca) begegnet man häufig einer regelmäßigen Kombination von endecasillabi und settenari.
Besondere Phänomene zwischen stanze
Phänomene, die aus der provenzalischen Dichtung stammen und v.a. in der canzone des Duecento auftreten:
coblas capfinidas: das letzte Wort, des letzten Verses, einer stanza wird in der darauf folgenden stanza wieder aufgenommen
coblas capcaudadas: der erste Vers einer stanza reimt sich auf die letzte Zeile der der vorherigen stanza
coblas capdenals: alle Strophen beginnen mit dem selben Wort
coblas unissonans: die Reime der ersten stanza treten, in der gleichen Reihenfolge, in allen darauf folgenden stanze auf
coblas estrampas: es gibt keinen Reim innerhalb einer stanza, stattdessen reimt sich der erste Vers der ersten stanza mit jedem ersten Vers der darauf folgenden stanze (gilt für alle Verse)
coblas doblas: jede zweite stanza weist den gleichen Reim auf
coblas singulars: das Reimschema bleibt in allen stanze gleich, nur der einzelne Reim ändert sich von stanza zu stanza (häufiger Fall)
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