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1920 schuf er sein erstes Bühnenbild für eine Aufführung von Hugo von Hofmannsthals „Der Tor und der Tod“ in einem Gartenlokal in Düsseldorf (dazu sind bislang keine Entwürfe bekannt), doch weitere Aufträge blieben aus, so dass er 1923 in die damalige Theatermetropole Berlin zog. Die in den folgenden 20 Jahren, im Zusammenhang mit 136 Theaterproduktionen entstandenen Bühnenbilder Traugott Müllers, zeigen das kreative Zusammenwirken zwischen Bühnenbildner und Regisseur, Autor, Schauspieler und Fotograf.
Die ersten realisierten Bühnenbildentwürfe von Traugott Müller aus dem Bestand der Freien Universität Berlin sind zwei Blätter zu „Professor Klenow“ von Karen Bramson (IfT_TM_66_G) für die Comedia Valetti/Die Rampe, Berlin vom Januar 1924. Sie zeigen deutlich die expressive Farbigkeit und Formgebung aus Traugott Müllers Frühwerk. Sie sind mehr Szenen- als reine Bühnenbildentwürfe und zeigen die typische Farb- und Formgebung Traugott Müllers in dieser Zeit.
Darauf sollten, bis zur Machtergreifung der Nationalsozialisten, Bühnenbilder und Kostüme für 37 Produktionen für Regisseure wie Erwin Piscator, Leopold Jessner, Berthold Viertel, Victor Barnowsky, Alexander Granowski, Moritz Seeler und Leopold Lindtberg entstehen.
Das erste große Engagement für ein Bühnenbild bekam Traugott Müller für „Segel am Horizont“ 1924 unter der Regie Erwin Piscators. Die erhaltenen Bühnenbildentwürfe für „Segel am Horizont" sind filigran und weisen deutlich auf die verwendete Drehbühne hin. Eine Beteiligung an der Wiederaufnahme von Strindbergs „Wetterleuchten" mit Albert Bassermann am Deutschen Theater 1924, die vielfach kolportiert wird, lässt sich dagegen nicht nachweisen. Entsprechende Fotos sind offenbar irrtümlich aus dem Bassermann- in den Müller-Nachlass geraten.

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UntertitTraugott Müller im Bühnenbild zu ''Hoppla, wir leben!'', 1927. Foto: Sasha Stone

Bis zu Piscators Umzug in die Sowjetunion 1931, arbeiteten dieser und Müller in sieben Produktionen zusammen. Unter der Verwendung von beweglichen Bühnenelementen, der Segment-Globusbühne, mehrere Etagen und Film- und Standbild-Projektionen im Bühnenbild verbunden mit einem prägnanten Spiel der Darsteller, schufen sie ein Gesamtkunstwerk – die Piscator-Bühne. Seine eigene Entwicklung in diesem Arbeitszusammenhang beschrieb Müller 1928 im Programmheft zu "Konjunktur" [LINK Text Konjunktur 1928]
1925 folgte aber zunächst Shaws „Gier unter Ulmen“ im Lessing-Theater Berlin unter der Regie von Berthold Viertel. Ohnehin fällt auf, dass Müller stets um Vielseitigkeit bemüht blieb, gerne für verschiedene Häuser parallel, oder auch für Freilichttheaterproduktionen arbeitete, auch als er später eine feste Anstellung am Staatstheater gefunden hatte.
Vermutlich lernte Traugott Müller bei den Arbeiten an „Gier unter Ulmen" Lothar Müthel kennen, der den Eben Cabot spielte. Müthel mag 1933 dazu beigetragen haben, dass Traugott Müller weiter beschäftigt wurde und unter seiner Regie verwirklichte er 15 Bühnenbilder.
Zu „Gier unter Ulmen“ sind drei Bühnenbild- und ein Blatt mit Kostümentwürfen erhalten. Die Kostümentwürfe unterscheiden sich deutlich von denen aus den früheren Jahren und wirken nun „realisierbar“. Die Entwürfe der Bühnenbilder sind noch großflächig in Tempera ausgeführt. Der Zuschauer soll Einblick in das Farmhaus erhalten und die Szenen die sich dort abspielen. Bereits hier wird seine spätere Arbeitsweise deutlich und die Simultanbühne wird zu einem der wichtigsten Elemente der Müllerschen Bühnengestaltung. Das aufgeschnittene Gebäude wird Traugott Müller immer wieder in seinen Bühnenbildern der 1920er Jahre verwenden, so z.B. in „Segel am Horizont“ (1925), „Fegefeuer in Ingolstadt“ (1926), „Hoppla, wir leben!“ (1927) oder „Menschen wie du und ich“ (1929).
Die Entwürfe zu „Herodes und Mariamne“, 1926 unter der Regie von Leopold Jessner am Staatlichen Schauspielhaus realisiert, zeigen auch eine klare expressive Ästhetik. Die Bühnenarchitektur scheint aus schlichten weißen Formelementen zusammengesetzt zu sein. Der Bühnenboden ist leicht schräg und rückt damit eine, von Traugott Müller gerne als gestalterisches Element verwendete Liege, in den Vordergrund.
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Untertitaus dem Programmheft zu ''Hoppla, wir leben'' (1927)

Auf eine Kritik Alfred Kerrs 1927 zu der Inszenierung von „Rasputin, die Romanows, der Krieg und das Volk, das gegen sie aufstand“, antwortete Traugott Müller im Januar 1928 mit einem Beitrag für „Die Scene (Blätter für Bühnenkunst)“, 18. Jg., 1928 S. 10-12, mit dem Titel „Über meinen jetzigen Beruf“ [LINK Text]. Hier schreibt er: „Ein Theater, in dem sich die Sprengung der Guckkastenbühne nicht durch die Konzession an das unzulänglich-gegebene vollzieht, sondern ein Theater mit allen technischen Vorbedingungen zum neuen Theatererlebnis, in dem Erfindungen und Politik, Film, Sport Radio usw. dramatisches Moment werden. Eine Apparatur, in der der Schauspieler sich wieder zu seiner Aufgabe, der erste Mittler des Theaterlebens zu sein, durchsetzen wird.“ Gedanken, die sich Traugott Müller schon 1926 gemacht haben wird, vergleicht man diese Aussage mit seinem „Sporttheaterentwurf“. Seine Architekturentwürfe „Sporttheater“ (ca. 1926) und „Umbauprojekt für ein Theater“ (ca. 1931) zeigen Traugott Müllers Interesse an Film und Theater und der Verbindung von diesen beiden. Das Sporttheater war wahrscheinlich als Ort der Unterhaltung gedacht, um Sport, Kino und Theater (vermutlich auch mit Film-Projektionen) in einem Raum zusammenbringen.

Das „Umbauprojekt für ein Theater“ von 1931 erinnert an das „Totaltheater" von Walter Gropius für Erwin Piscator, 1927. Es birgt die Möglichkeiten von Projektionen und einer beweglichen Bühne – und wirkt, ähnlich wie Gropius' Entwurf, wie eine Fortsetzung der Segment-Globus-Bühne.
1928 wurde Leo Lanias „Konjunktur“ am Lessing-Theater Berlin uraufgeführt. Die erhaltenen Fotografien der Bühnenbilder zeigen Bohrtürme und ein Gebäude aus rohem Holz sowie den Einsatz von mehreren Automobilen und einem lebendigen Esel. Traugott Müller selbst verweist in seinem Text aus dem Programmheft (s.o.) auf die Verwendung „[...] reinen Material[s] (Wellblech, karboliniertes und frisches Holz, Maschendraht, Dachpappe u.a.), Filmprojektion und Zweckgerüst bilden Mittel einer Theaterapparatur, die die Dekoration überwindet (Abschaffung des Bühnenbildes).“ Außerdem trug er bei der Inszenierung, laut Elfriede Liebthal, ein Chanson mit der Musik von Kurt Weill vor (vgl. T.R. Müller, S. 61 und 63).
Für „Der Streit um den Sergeanten Grischa“, 1930 unter der Regie von Alexis Granowsky, schuf er zusammen mit George Grosz die Bühnenbilder und Kostüme. Der im Bestand erhaltene Bühnenbildentwurf konnte bisher noch keinem der beiden Künstler sicher zugeordnet werden, der handschriftliche Vermerk auf dem Blatt „George Grosz zu Grischa“ entspricht weder der Handschrift Traugott Müllers noch der von George Grosz. Auch die verwendete Technik ist für beide Künstler nicht typisch. Herbert Ihering schreibt im „Berliner Börsencourier“ vom 01.04.1930: „Was an dieser Aufführung George Grosz geleistet hat, wird mir immer ein Rätsel bleiben. (Ich nehme an, die guten Büroräume und Telefonzentralen.) Weniger zweifelhaft scheint der Beitrag Traugott Müllers zu sein: die stillose Durcheinandermengung jeden Dekorationsplunders, den abzuschaffen er nach seinen eigenen Worten früher auszog.“
1932 sind drei Zusammenarbeiten mit Leopold Lindtberg belegt, wobei sich nur zwei Bühnenbildentwürfe zu „Haifische“ im Bestand befinden.
Gerade die Zeit zwischen 1924 und 1932 kann als eine sehr experimentelle Zeit im Œuvre Traugott Müllers gesehen werden. Seine Abkehr von der Guckkastenbühne und die von ihm propagierte „Abschaffung des Bühnenbildes“ mit der Überwindung der Dekoration waren in der Theater/Bühnenbild-Geschichte richtungsweisend. Er experimentierte bei der Bühnenausstattung mit technischen Neuerungen oder spektakulären Details wie einem lebendigen Esel oder einem Auto (z.B. bei „Konjunktur“ 1928), baute Modelle von Kriegsschiffen und Geschützen.
Simultanbühnen, Filmprojektionen und Anklänge an Technik oder die Moderne finden sich bei seinen Bühnenbildentwürfen in der Zeit des Nationalsozialismus kaum noch, vielleicht in der Andeutung von Telefon- oder Telegrafenmasten und einer Industrielandschaft (Vgl. hierzu die Entwürfe zu „Deutsche Passion 1933“, 1935).
In seinen Bühnenkonzepten und realisierten Bühnenbildern greift er oft bestimmte Elemente wieder auf, wie rot-weiß gestreifte Markisen, Liegen, Gitter, Laubengang-Gitter und Schiffe. Beispielhaft zu vergleichen hier der Entwurf zu „Gustav III“ (1927) mit dem Laubengang-Gitter und dann viele Jahre später wiederkehrend bei „Torquato Tasso“ (1942). Ähnliches zeigt sich bei seiner frühen Entwürfen des Schiffes in seiner Arbeit zu „Der Sturm“ und 1934 im Hintergrund bei der „Komödie der Irrungen“.
Immer wieder findet man künstlerische Überschneidungen namhafter Künstler dieser Zeit im Kontext Traugott Müllers, insbesondere der Dada-Bewegung und ihrem Umfeld, wie George Grosz, Richard Huelsenbeck oder Sasha Stone [LINK zu 1927/Seite Einladung zur Eröffnung...] . Dazu weitere Fotografen, die Traugott Müllers realisierte Bühnenbilder dokumentierten, wie Umbo, John Graudenz, Dr. Hans Böhm  und Josef Schmidt, und die die Fotografie (Böhm insbesondere die Theaterfotografie) Berlins dieser Zeit maßgeblich prägten. Ein Teilnachlass Josef Schmidts befindet sich ebenfalls in den Theaterhistorischen Sammlungen.

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