Grundlagen
Vertieft soll an dieser Stelle Korpora behandelt werden, da diese die textuelle Grundlage, anhand welcher sprachliche Phänomene erforscht werden können, überhaupt erst bereitstellen. Die vorliegende Seite dieses Manuals dient dem Zweck, den Begriff Korpus zu definieren und die Möglichkeitend der Korpusarbeit zu erläutern. Für weitere Informationen sei auf die wikiinterne Literatursammlung zur Korpuslinguistik verwiesen (welche jedoch keinen Bestandteil dieses Manuals bildet).
Was ist eigentlich ein Korpus? |
Es lässt sich festhalten:
Ein linguistisches Korpus ist eine Textsammlung, die
- einen Referenzbereich systematisch abdeckt (z.B. Pariser Jugendsprache, diplomatische Korrespondenzen im Spanien des 18. Jh.).
- zur Beantwortung ganz bestimmter sprachwissenschaftlicher Untersuchungsfragen dient (z.B. Suche nach Anglizismen, Häufigkeit bestimmter Verbformen).
Ein Korpus muss quantitativ ausbalanciert sein. Das bedeutet nicht nur, dass die Textdaten einen gewissen Umfang aufweisen müssen, sondern auch, dass sie in ihrer Auswahl repräsentativ für den Referenzbereich sein müssen. Repräsentativität ist beispielsweise nicht gegeben, wenn man Aussagen über lexikalische Besonderheiten Südfrankreichs treffen will, jedoch ausschließlich Sprachdaten jüngerer Sprecher erhebt, da ihr Sprachgebrauch von dem älterer Sprecher abweichen kann und somit nicht mit dem generellen Usus Südfrankreichs gleichzusetzen ist.
Liegt der notwendige Datenumfang nicht vor, so sollte der Untersuchungsgegenstand, um eine hohe Repräsentativität zu erhalten, möglichst differenziert gewählt werden (z.B. lexikalische Besonderheiten der in Marseille lebenden Gymnasiasten). Je stärker die Fragestellung diatopisch, diastratisch und diaphasisch präzisiert wird, desto repräsentativer kann die Datengrundlage gewählt werden.
Auch sollte darauf geachtet werden, texttypologische Grenzen nicht zu überschreiten. In der Regel begrenzt sich die Datengrundlage auf einen einzigen Texttypus, z.B. Literatur, Zeitung, Gesetzestexte, Blogs, transkribierte Sprachaufnahmen, etc..
Im Hinblick auf das Datenformat muss vermerkt werden, dass Textdaten nicht einfach als Fließtext vorliegen, sondern in irgendeiner Weise aufbereitet wurden:
- Ihr Format orientiert sich an bestimmten Kodierungsstandards (z.B. XML), wodurch sie computerlesbar werden. Analyseprogramme und Suchmasken können anhand eines klar definierten Formats des Volltexts zielgerichtet Informationen hinzufügen, ändern, löschen oder herausfiltern.
- Sie sind annotiert, d. h. mit zusätzlichen (unsichtbaren) Informationen angereichert. Dabei kann es sich um Metadaten (z.B. Autor/ Sprecher, Alter, Ort, Datum, Varietät…) oder auch um linguistische Informationen (Wortarten, Lemmata) handeln.
Ein Kodierungsstandard macht es möglich, große Datenmengen automatisiert und schnell zu durchsuchen und zu analysieren, da er bewirkt, dass sprachliche Merkmale computerlesbar und dadurch zählbar gemacht werden. Sind die Textdaten mit linguistisch orientierten Annotationen oder Metadaten versehen, so können Sprachregister, Varietäten, Sprachwandel, Sprachkontakt usw. bei der Analyse der Frequenzen charakteristischer Merkmale berücksichtigt werden. Auf diese Weise wird dem Zusammenhang zwischen außersprachlichen Faktoren (Alter, Herkunft, Bildung…) und sprachlichen Phänomenen (Soziolinguistik) die notwendige Aufmerksamkeit zuteil.
Korpora im TdR-Wiki
##Hier: VPN, Infos, Darstellung###
Ein Beispiel für die Korpusarbeit
Anhand des FRANTEXT-Korpus soll hier exemplarisch die Frage nach der diachronischen Unterschiede in der Verwendung von fin de semaine vs. week-end beantwortet werden. Zugang zum Korpus erhält man mithilfe des VPN-Tunnels über den Frantext-Eintrag im TdR-Wiki:
Die "Recherche simple" ermöglicht es, nach exakten Wortfolgen zu suchen:
Im Sinne einer Darstellung diachronischer Abweichungen sollte im nächsten Schritt die chronologische Ebene als Grundlage der Sortierung vermerkt werden:
Die Suche nach fin de semaine zeigt unter anderem folgende Ergebnisse an:
Die chronologische Sortierung macht es möglich, die Verwendung von fin de semaine bis auf das Jahr 1654 zurückzuführen. Dies bedeutet nicht, dass das Syntagma dort zum ersten mal verwendet wurde, sondern lediglich, dass der erste Text in dem FRANTEXT-Korpus, der fin de semaine enthält, sich auf dieses Jahr datieren lässt. Für die letzte Verwendung im FRANTEXT-Korpus lässt sich das Jahr 2009 feststellen:
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##Folien:
Ergebnis:
Aus dem in FRANTEXT untersuchten Datensatz ergibt sich:
Achtung:
Die Aussagekraft des Ergebnisses ist beschränkt. Es lässt regionale und stilistische Besonderheiten (Québécois, Anglizismen…) sowie jeglichen nicht-literarischen Sprachgebrauch außen vor
à Beschränktheit eines jeden Korpus auf seinen individuellen Referenzbereich! ##