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Das Mittelalter gab es nicht! Die Idee von einem medium aevum, einem mittleren Zeitalter entstand erst im Nachhinein, als Gelehrte des 14. Jahrhunderts in einem Akt der Selbstvergewisserung die dunkle Vergangangenheit gegen das mit ihnen anbrechende neue Zeitalter abgrenzten. Die mittelalterlichen Menschen waren sich nicht bewusst, Teil einer Epoche zu sein, die sich von der vorangehenden Antike unterschied. Im Gegenteil wurden vielerlei Verbindungen aus der Antike in die jeweilige Gegenwart gezogen. Ebenso überlagert von Kontinuitäten ist die vermeintlich so scharfe Grenze zwischen Mittelalter und Früher Neuzeit. Doch auch wenn Epochen und ihre Grenzen häufig nachträgliche Konstruktionen sind, können sie doch einen Wert als heuristisches Prinzip haben. Vom Modell der Epoche her wird manches erklärbar und Widersprüchliches erst erkennbar, wenn sie auch immer wieder neu der Kritik unterworfen werden muss. Insofern gab es das Mittelalter doch, nämlich als eine Zeitspanne, die von bestimmten sozialen, politischen, religiösen und kulturellen Strömungen geprägt war und deren Zusammenfassung als eine Epoche einen Erklärungswert haben kann. Wollte man dies für das Mittelalter auf einen Nenner zwingen, so könnte man vielleicht sagen, die Epoche des Mittelalters in Zentraleuropa sei bestimmt von einer variablen Synthese antiker Kultur, römisch-christlicher Religion und germanischer Gesellschaftsstrukturen. Die folgende Darstellung soll einen Eindruck dieser Zeitspanne geben. Sie ist nicht verbindlich und hätte auch ganz anders aussehen können. Ihre Funktion ist es, einen ersten Überblick und Anlass zu weiterer Lektüre und zur Kritik zu geben.

Religion und Kirche

Politik und Gesellschaft

Kultur und Literatur

 

4. Jhd.

 
  • Die Christenverfolgung endet weitgehend.
  • Der nichttrinitarische Arianismus und der das römisch-katholische Christentum konkurrieren miteinander.
  • Ausgehend vom süd-östlichen Mittelmeerraum breitet sich das christliche Mönchtum aus.
  • Sulpicius Severus verfasst die Lebensgeschichte Martins von Tours.
  • Das römische Reich weist zunehmend eine kulturelle und politische Distanz zwischen Zentrum und Peripherie (insbesondere den Provinzen Germania und Gallia) auf.
  • Durch die Völkerwanderung kommen außer den ursprünglich ansässigen auch immer mehr neue Gruppen mit den Römern an ihren Grenzen in Kontakt. Alle diese Völker werden von den Römern als „Germanen“ bezeichnet.
  • Die regionalen germanischen Herrscher gewinnen an Einfluss. Die Römer suchen unter ihnen nach Bündnispartnern, die sie mit dem Titel rex (König) und relativer Verwaltungssouveränität ausstatten.
 
 

5. Jhd.

 
 
  • Römisches Reich und germanische Völker stehen besonders in den Grenzregionen in einem intensiven Austausch von Kultur und Personen.
  • Die Gruppe der Franken gewinnt innhalb der Germanen zunehmende Bedeutung.
  • Sie treten insbesondere mit den civitates, den römischen um Städte (z.B. den heutigen Straßburg, Frankfurt oder Worms) zentrierten Gebietskörperschaften in Austausch, die von Bischöfen beherrscht wurde.
  • Unter den entstehenden fränkischen Kleinkönigtümern setzt sich eine Familie durch, die sich nach ihrem Ahnherren „Merowech“ „Merowinger“ nennt. Die Phase der Königsherrschaft in Europa beginnt.
  • Die Vorherrschaft der Merowinger bringt eine ganze Reihe von Neuerungen mit sich:
    • Erbkönigtum und dynastisches Prinzip
    • personalisierte Herrschaft
    • Prinzip von Eid und Gefolgschaft
    • Ausbildung einer sozialen Elite von Berufskriegern
    • agrarwirtschaftliche Prinzipien bestimmen die politische Organisation (Hof)
  • Die zuvor weitgehend illiteraten Germanen übernehmen die lateinische Schrift.
 

um 500

 
  • Chlodwig I wendet sich vom Arianismus ab und tritt zum römisch-katholischen Glauben über.
  • Chlodwig I gründet das erste fränkische Großreich.
 
 

6. Jhd.

(Frühmittelalter: 6. – 10. Jhd.)

 
  • Gründungswelle von Klöstern im fränkischen Herrschaftsbereich
  • Die Langobarden fallen in Italien ein, dieser Kriegszug gilt traditionell als Ende der Völkerwanderungszeit und Beginn des Mittelalters.
  • Das Merowingerreich ist äußeren und inneren Spannungen ausgesetzt
 
 

7. Jhd.

 
  • Das Frankenreich ist weitgehend christianisert.
  • Das Frankenreich wird beherrscht von Königtum, Bischöfen und der Oberschicht. Die Herrschaft der Einzelnen prägt sich zunehmend regional aus.
  • Die merowingische Herrschaft wird durch innere Konflikte erschüttert:
    • Die regionalen Herrscher unterwerfen sich weniger der Königsmacht.
    • Die Dynastie wird durch mehrere Nachfolgeprobleme erschüttert.
  • Die Vermittler unter Verwalter, die Hausmeier, unterhalb der Königsfamilie gewinnen politisches Gewicht.
  • Pippin der Mittlere vereinigt Ende des 7. Jhd. als Hausmeier der Merowinger das fränkische Reich wieder, er unternimmt Kriegszüge gegen die Alemannen und die Sachsen.
 
 

8. Jhd.

 
  • Das römische Papsttum kooperiert mit den Karolingern und billigt Pippins Thronbesteigung.
  • Im Gegenzug unterstützt Pippin die Päpste im Kampf gegen die Lagobarden und bei der Abgrenzung von Byzanz.
  • Pippins Sohn, Karl Martell, tritt in seiner Fußstapfen und regiert das Merowingerreich zeitweise sogar ohne amtierenden König. Nach ihm sein Geschlecht „Karolinger“ genannt.
  • 751 setzt Karls Sohn, Pippin der Jüngere, den letzten Merowingerkönig ab und besteigt selbst den Thron.
  • Nach Pippins Tod 768 besteigt sein Sohn Karl 771 den Königsthron, er wird später als „Karl der Große“ bekannt.
  • Karl führt Kriegszüge nach Italien, Sachsen und Spanien. Die ersteren erobert er und verleibt sie seinem Reich ein.
  • Zur Beherrschung des wachsenden Reiches setzt Karl die sog. „Grafschaftsverfassung“ ein: Eroberte Gebiete werden den Gefolgsleuten dauerhaft leihweise überlassen, im Gegenzug waren die so Beliehenen dem Herrscher zu Dienst verpflichtet. Der Inhalber eines solchen Amtes wurde comes (Graf) genannt. Damit wurde die schon vorher existierende personale Bindung zwischen Herrscher und Verwaltern institutionalisiert.
  • Durch die Differenzierung von Grundbesitz und Herrschaftsgebiet entstand eine dem König nahestehende gesellschaftliche Elite, der Ursprung des neuentstehenden Adels.
  • Unter Kerl nimmt das königliche Urkundenwesen beträchtlich zu.
  • Karl iniitiert zudem ein Programm zur kulturellen Erneuerung (gelegentlich auch als „Karolingische Reform“ bezeichnet).
  • Die antiken Werke werden aus Schulungsgründen abgeschrieben, die Bibel und die Schriften der Kirchenväter um sie zu verstehen und zur Verfügung zu haben.
  • Es entstehen Zentren des kulturellen Austauschs, etwa bestimmte Klöster oder Städte (wie z.B. Aachen).
  • Es entsteht eine systematische Geschichtsschreibung.
  • Über Karls Leben wird eine erste mittelalterliche Herrscherbiographie verfasst.
 

800

 
 
  • Karl wird vom Papst zum Kaiser gekrönt. Damit wird die Königsherrschaft erhöht, an antike Herrschaftsprinzipien angeknüpft und eine religiöse Komponente eingebunden.
 
 

9. Jhd.

 
  • Das Papsttum verliert mit dem fränkischen Reich wieder an Bedeutung.
  • Unter Karls Nachfolgern zerfält die Einheit des Reiches wieder.
  • Die Grafen bemühen sich um eine Vererbbarkeit ihrer Titel und verstetigen so ihre Herrschaft.
  • Die Dienstpflicht, die durch die Beleihung entstand, wurde so ausgehöhlt. Die Grafen gewannen an politischem Einfluss.
  • Besonders die Beherrscher der Grenzgebiete des fränkischen Reiches (der „Marken“), die „Markgrafen“ verfügten über weitreichende Selbständigkeit.
  • Das Reich wurde zudem von den Normannen, den Sarazenen und den Ungarn bedroht.
  • 887/888 wurde der letzte fränkische Gesamtherrscher abgesetzt.
 
 

10. Jhd.

 
  • In religiösen Zusammenhängen findet eine zunehmende Ausrichtung auf Rom statt. Das Papsttum wird wieder zu einer zentralen Macht.
  • Durch das früher sog. „Reihskirchensystem“ gelingt es Otto I. das Episkopat im ostfränkischen Reich zu einer Machtbasis zu machen.
  • Mit dem Kloster Cluny wird ein weitgehend von lokaler Macht unabhängiges und vom Papst legitimiertes Kloster mit eigenen Regeln gegründet.
  • Unter einen Mutterkloster können nun Klösterverbünde entstehen.
  • Aus dem 10. Jhd. liegen nur wenige Zeugnisse vor, sodass nur wenige Ereignisse und vor allem Entwicklungen zwischen 900 und 1000 beobachtbar sind:
    • Durch Migrationsbewegungen (z.B. Ungarn) verschieben sich die Machtbereiche in Europa.
    • In Europa stabilisieren sich mehrere festgefügte Reiche.
    • Durch die Bemühungen der Ottonen hat sich das ostfränkische Reich nach dem Abstieg der Karolinger wieder stabiliert.
  • Das Fehdewesen (= die gewalttätige Auseinandersetzung regionaler adliger Herrscher untereinander) wird zunehmend zum politischen Problem.
  • In der Geschichtsschreibung wird ein zunehmendes Bewusstsein von Institutionen (wie etwa Bistümern oder Grafschaften) ohne personale Bindung erkennbar.
 

11. Jhd.

(Hochmittelalter: 1050 – 1250)

 
 
  • Durch eine längere Friedensphase und technische Neuerungen vergrößert sich die agrarische Produktion massiv. Entsprechend nimmt die Bevölkerung zu.
  • Es entstehen Möglichkeiten zur Arbeitsteilung und zur Versorgung größerer Bevölkerungsteile, die nicht im agrarischen Sektor arbeiten. Entspechend bilden bzw. vergrößern sich städtische Zusammenhänge.
  • Die städtischen Bürgerschaften beginnen sich zu verselbständigen.
  • Die zunehmende Bevölkerung und die Verstädterung verlangt nach mehr und besser qualifizierten Verwaltern, die von den Herrschern eingesetzt werden. Es entsteht die neue Gruppe der „Ministerialen“, die sich durch den eigenen Einfluss bald selbst Zugang zum Adel verschaffen. Entsprechend wird nun hoher (besitzender) und niedere (dienender) Adel unterschieden.
  • Die Territorialherrschaft nimmt zu.
  • Um dem Unfrieden zwischen den einzelnen Herrschern zu begegnen, wird das alte römische Recht reaktiviert. Die germanischen Rechtsprinzipien, die etwa auf dem mündlichen Eid beruhten, werden durch schriftliche Gesetze ersetzt.
  • Innerhalb der Städte und im Adel nimmt die Schriftmächtgkeit zu.
  • Mit den Ministerialen entsteht neben dem Klerus eine gebildete gesellschaftliche Elite.
  • Durch die Verschriftlichung des Rechts entsteht ein zusätzlicher Bedarf an schriftfähigen Experten.
  • Die ersten Universitäten treten in Konkurrenz zu den Klöstern als Bildungsorten.
  • Es entsteht ein zunehmender kultureller Austausch und eine neue intellektuelle Schicht.
  • Mit der Scholastik entsteht eine komplexe Wissenschaftliche Methode.
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